Geschichtsverein Setterich e.V.
Geschichtsverein Setterich e.V.

Die Kohle verändert einen Ort

Der Bergbau auf der Zeche „Emil-Mayrisch“ schuf zahlreiche Arbeits-plätze, gab vielen ein neues zu Hause und formte ein neues Setterich

Um 1900 hatten weitsichtige Bergleute mit Probebohrungen in der Nähe von Siersdorf begonnen. Dabei stießen sie auf enorme Fettkohlevorräte, die den Eschweiler Bergwerks Verein (EBV) 1937 bewogen, bei Siersdorf eine Zeche zu bauen und ihr den Namen des ersten ARBED-Präsidenten Emil Mayrisch zu geben. Am 21. Mai 1938, zum 100. Geburtstag des EBV, wurde der „erste Spatenstich“ in feierlicher Weise vorgenommen. Damit fasste der Bergbau im bislang landwirtschaftlich geprägten Jülicher Land, zu dem ja auch Setterich gehörte, Fuß.

Zu diesem Zeitpunkt rechnete wohl niemand damit, dass es noch rund 15 Jahre dauern würde, bis auf der Grube „Emil-Mayrisch“ die ersten Kohlen gefördert würden.

Ausbruch des zweiten Weltkriegs

Nachdem im Sommer 1938 die eigentlichen Abteufarbeiten (Erschließung eines Schachts von oben nach unten zur Erschließung von Bodenschätzen, hier: Steinkohle) begonnen hatten, mussten die Arbeiten mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs zunächst für einige Monate unterbrochen werden.

Erst Anfang 1940 konnten die Abteufarbeiten wieder aufgenommen werden. Ein schnelles Fortschreiten der damit verbundenen Arbeiten war jedoch infolge des sich bald abzeichnenden Mangels an geeigneten Arbeitskräften und vor allem auch an Material nicht möglich.

In den ersten Kriegsjahren wurden zunehmend mehr Bergleute zum Wehrdienst herangezogen und durch Kriegsgefangene und sogenannte „Ostarbeiter“ ersetzt. Auf höhere Anweisung hin mussten die Aus- und Vorrichtungsarbeiten auf „Emil-Mayrisch“ eingeschränkt werden, um möglichst viele Arbeitskräfte für die Kohlegewinnung auf die übrigen Gruben des Reviers zu verteilen.

Am Ende des zweiten Weltkrieges boten die Betriebe des EBV ein Bild der Zerstörung. Auch die noch im Abteufen befindliche Grube „Emil-Mayrisch“ war durch die Kampfhandlungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Aufgrund sachfremder, in erster Linie politischen Interessen des alliierten Kontrollorgans, erging die Betriebsgenehmigung für die Neuanlage „Emil Mayrisch“ erst 1947.  Bis dahin waren auf der Schachtbaustelle nur verhältnismäßig unkoordinierte Aufräumarbeiten durchgeführt worden, da der Großteil der Bergleute auf Geheiß der Militärregierung auf den bereits in Förderung stehenden Gruben des Reviers beschäftigt war.

Mit der Erlaubnis zum Sümpfen der abgesoffenen Schächte konnte im September des Jahres 1947 das Abteufen der Schächte fortgesetzt werden. Durch den nach wie vor bestehenden Mangel an Fachkräften, Material und Energie wurden die Arbeiten aber auf´s äußerste erschwert.

Erst die Währungsreform vom 21.06.1948 führte zu einer schrittweisen Verbesserung der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse.

Die Aufnahme der Förderung auf „Emil Mayrisch“

Beim Ausbau der Schachtanlage „Emil Mayrisch“ hatten beide Schächte 1949 die für den Ansatz der ersten Hauptfördersohle erforderliche Teufe von 710 m erreicht. Bis Ende 1950 war die Auffahrung der ersten Hauptfördersohle bei 710 m Teufe sowie der Wettersohle abgeschlossen. In den Jahren 1951 und 1952 wurde Schacht II bis auf 860 m weitergeteuft und anschließend die 860 m –Hauptfördersohle aufgefahren. 

 

Am 15.04.1952 konnte mit der Vorrichtung des ersten Abbaubetriebes die planmäßige Förderung aufgenommen werden.

 

Bei der geförderten Kohle handelte es sich, den Erwartungen entsprechend, um erstklassige Kokskohle, die bis zum Bau einer eigenen Wäsche (1958) in der Anlage „Anna II“ in Alsdorf gewaschen wurde und anschließend zur Veredelung in die Kokerei „Anna“ gelangte.

 

Mit der Inbetriebnahme der ersten der insgesamt zwei vollautomatisch elektrisch betriebenen Turmfördermaschinen an Schacht II erhöhte sich die Förderkapazität der Anlage von 1750 t täglich auf etwa 5300 Tagestonnen.

Der Bergmann "unter Tage" in früherer Zeit.

Kohlenabbau mit dem Pickhammer. Das Foto zeigt die seit dem Ersten Weltkrieg übliche Abbaumethode. Kohlenfall, Staub und die Belastung der Handgelenke gefährdeten die Gesundheit der Arbeiter.

Eine Nachbildung eines Stollen-Quergangs im Energeticon in Alsdorf. Die Aufnahme enstand bei unserer Besichtigung im März 2016.

Der hohe Grad der Elektrifizierung – die elektrischen Maschinen- und Förderanlagen untertage wurden zum Teil elektronisch gesteuert und durch optische Signalanlagen von Übertage überwacht - ließen „Emil Mayrisch“ zur Musterzeche des Aachener Steinkohlereviers und zu einer der modernsten Zechenanlagen Europas werden.

Die Zeche schuf eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze

Mit der Aufnahme der Förderung auf „Emil Mayrisch“ und der sich von Jahr zu Jahr steigernden Förderleistungen wurde auch der Bedarf an Arbeitskräften immer größer. Die Zeche schuf also neue Arbeitsplätze und Arbeit wurde in ganz Deutschland und speziell auch im Ost- und Südeuropäischen Ausland dringend gesucht.

Im Rahmen der sog. „Kohleaktion“ wurden 1953 Siebenbürger-Sachsen in Österreich für den Steinkohlebergbau angeworben. Viele von ihnen gelangten auf diesem Weg im Winter 1953 auch nach Setterich, um Arbeit auf „Emil Mayrisch“ aufzunehmen. Nur wenige Monate später schon fand am 07. März 1954 die Gründungsversammlung der Siebenbürgen-Kreisgruppe Setterich statt und so entstand in unserem Dorf eine der ersten drei außerhalb Siebenbürgens geschlossenen Siedlungen.

Neues Wohngebiet- Die Honterusstraße im Aufbau

Neben den Vertriebenen und Flüchtlingen aus den Ostgebieten fanden aber auch Bergleute aus dem Saargebiet und anderen Teilen Deutschlands, in denen es keine oder zu wenige Arbeitsplätze gaben, auf “Emil Mayrisch“ neue Arbeit.

Der Bedarf an Arbeitskräften auf „Emil Mayrisch“ blieb weiterhin ungebrochen. Sogenannte Gastarbeiter wurden angeworben. Der ersten Gruppe aus Jugoslawien, folgten Italiener, Spanier und Marokkaner.

Vorher waren aber auch schon Niederländer auf der Zeche tätig, die wegen ihrer SS – Zugehörigkeit in ihrem Heimatland keine Arbeit mehr fanden.

Der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt besuchte im Rahmen des Bundestagswahlkampfs Ende August 1961 die Zeche „Emil-Mayrisch“. Dabei machte er auch einen Abstecher nach Setterich. Hier hielt er in der Emil-Mayrisch-Straße vor zahlreichen Schaulustigen eine

1970 schlug die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der südkoreanischen Regierung eine Vereinbarung vor, der zufolge die Bundesrepublik sich bereiterklärte, „als Beitrag zur Entwicklung des koreanischen Bergbaus bis zu 1000 koreanische Bergarbeiter für eine Beschäftigung im Untertagebetrieb des deutschen Steinkohlenbergbaus zuzulassen.“ Diese Vereinbarung wurde auf drei Jahre befristet. Sie diente dem Zweck, die beruflichen Kenntnisse der koreanischen Bergarbeiter zu erweitern und zu vervollkommnen. Auch in Setterich wurden in dieser Zeit koreanische Bergarbeiter wohnhaft.

Die Einwohnerzahl Setterichs kletterte von 1.210 im Jahre 1950 auf rund 6.000 im Jahr 1963. Neuer Wohnraum wurde also dringend benötigt. Es wurde fleißig gebaut.  Neue Baugebiete wurden ausgewiesen.

Als am 16. Juli 1953 am Nordrand des alten Dorfes feierlich der Grundstein zur Settericher Bergmannssiedlung gelegt wurde, musste die bald einsetzende schulische Entwicklung der aufstrebenden Gemeinde.mit einberechnet werden. Die Gemeindevertretung war sich zu Beginn der Entwicklung des Ortes darüber im Klaren, dass auf die Dauer die einzige viertklassige Volksschule im Ort in keiner Weise den stark ansteigenden Schülerzahlen gerecht werden konnte.

Es war nach den bereits vorliegenden Besiedlungsplänen zudem damit zu rechnen, dass in dem bisher nahezu rein katholischen Dorf nunmehr auch zahlreiche evangelische Christen ihre Heimat finden würden. Ein unvermeidlich werdender Schulneubau musste aus diesen Überlegungen heraus entstehen. So wurde seitens der Gemeinde der Neubau einer evangelischen Schule beschlossen. Dem Altdorf sollte durch einen Erweiterungsbau die katholische Schule erhalten bleiben. (Chronik der Kath. Volksschule, Band I, S. 14) Die Schulstatistik verzeichnete am 21. September 1954 165 katholische und 111 evangelische Schüler. Erstmalig wurde mit Horst Kalle ein evangelischer Lehrer nach Setterich versetzt.

 

Waren bis zu diesem Zeitpunkt die Kinder der beiden Bekenntnisse noch gemeinsam unterrichtet worden, so erfolgte nun die Trennung in zwei Schulen, obwohl beide sich zunächst noch mit einem gemeinsamen Schulgebäude begnügen mussten. Der Unterricht fand im wöchentlichen Wechsel der jeweiligen Schulen statt, das heißt, jede Woche hatte eine Schule vormittags und eine Schule nachmittags Unterricht.

Da die Schulräume für die rasch wachsende Zahl der Schulkinder nicht ausreichten, erfolgte zunächst in mehreren Abschnitten der Ausbau der Kath. Volksschule.

Am 06. September 1956 konnte dann der im Dezember 1954 begonnene Bau der Evangelischen Volksschule eingeweiht werden. Zunächst vierklassig geplant, erwies sich das Gebäude schon bei der Einweihung als zu klein. 230 Kinder mussten sich in 10 Klassen die vorhandenen Klassenräume teilen. Dies war nur im Schichtbetrieb möglich. Die Gemeinde kam nicht umhin, einen Erweiterungsbau in Angriff zu nehmen. Nach Fertigstellung nahm die Schule dann am 30. August 1958 380 Kinder auf. Da die Zahl der evangelischen Schüler jedoch weiter zunahm, erwies sich schon in den Jahren 1962/63 der Anbau eines dritten Traktes als unumgänglich. 

Setterich galt in dieser Zeit als kinderreichste Gemeinde der Bundesrepublik.

Eine Aufnahme vom letzten Erweiterungsbau der Lessingschule im Jahre 1961

Als weitaus größte Gemeinde im Amtsverband Immendorf-Würm entschied sich die Gemeindevertretung am 06. April 1962 für das Ausscheiden aus diesem Amtsverband und für die Selbständigkeit Setterichs. Bürgermeister der ab 01. Januar 1963 selbständigen Gemeinde Setterich wurde Bürgermeister Martin Tribbels und zum Gemeindedirektor wurde Franz Cranen gewählt.

Den guten Kontakten Franz Cranens – der auf die Unterstützung des Gemeinderates bauen konnte – war es zu es zuzuschreiben, das Fördermittel bei übergeordneten Stellen gezielt beantragt wurden und so flossen, dass die schnelle Entwicklung unseres Ortes weitergehen konnte.

Die rasante Entwicklung Setterichs ging weiter

  • Der Bau und die Finanzierung einer Turnhalle mit Lehrschwimmbecken an der St. Andreas-Schule wurde 1963 von der Bezirks-Regierung genehmigt.
  • Noch im gleichen Jahr gab der Gemeinderat „grünes Licht“ für den Neubau der Schule in Setterich-Ost (Barbara-Schule), die 16 Klassenräume umfassen sollte.
  • Im Mai 1964 wurde mit dem Bau eines neuen Rathauses begonnen.
  • Am 24. Juli 1964 beschloss der Gemeinderat die Einrichtung einer Realschule.
  • Einen Tag später wurde das fertiggestellte Sportzentrum an der Wolfsgasse mit Turn- und Schwimmhalle seiner Bestimmung übergeben.
  • Am 26.11.1965 konnte die kath. Volksschule St. Barbara eingeweiht werden.
  • Am 08.11.1967 erfolgte unter Teilnahme des Bundesministers für Familie und Jugend, Dr. Bruno Heck, die Grundsteinlegung der Realschule.
  • Am 23.03.1968 wurde die Turnhalle an der evangelischen Volksschule ihrer Bestimmung übergeben.
  • Am 13.12.1968 erfolgte die offizielle Einweihung der Realschule unter Teilnahme der Bundesministerin Frau Dr. Änne Brauksiepe.
  • Am 24.06.1969 beschloss der Settericher Gemeinderat die Einrichtung einer Volkshochschule.
  • Am 07.051971 wurde die Turnhalle an der Realschule mit einem sportlichen Rahmenprogramm eingeweiht.

In Setterich war also alles bestens gerichtet (in „Neu-Deutsch“ würde es heute wohl heißen: Setterich war bestens aufgestellt), bevor durch das „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Aachen“ die früheren Gemeinden Baesweiler, Oidtweiler, Puffendorf und Setterich mit Wirkung vom 01. Januar 1972 zur neuen Gemeinde Baesweiler zusammengeschlossen und dem Kreis Aachen zugeordnet wurden.

                                                                                                                                                 Heinz Römgens

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