Ortsrundgang – 4. Teil

Die Erbdrostenallee – ein Stück Ortsgeschichte

Unmit­tel­bar hin­ter dem „Haus Set­te­rich“ hal­ten wir uns rechts, que­ren eine park­ähn­lich gestal­te­te Flä­che und uns bie­tet sich nach nur weni­gen Schrit­ten ein Blick in eine typi­sche Sied­lungs­stra­ße Mit­te der 1950er Jah­re: die Erb­dros­ten­al­lee. Allein auf­grund ihrer Brei­te eine Stra­ße mit alleen­ar­ti­gem Cha­rak­ter.

Die Erb­dros­ten­al­lee zwi­schen Glück-Auf-Stra­ße und Grün­stra­ße Foto: Ger­hard Fal­tyn

Die 1953/54 im Auf­trag des Esch­wei­ler Berg­werk­ver­eins (EBV) gebau­te Stra­ße hat zwei unter­schied­li­che Haus­ty­pen. Auf der Ost­sei­te ste­hen Wohn­blö­cke mit jeweils vier Drei­zim­mer­woh­nun­gen, auf der West­sei­te Ein­fa­mi­li­en­häu­ser mit Ein­lie­ger­woh­nun­gen. Die­se konn­ten von den Berg­leu­ten unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen güns­tig erwor­ben wer­den. Zu jeder Woh­nung gehör­te ein Gar­ten, wie das in einer Berg­manns­sied­lung üblich war.

Die eigent­li­che Stra­ße ver­lief auf der West­sei­te. Die Häu­ser auf der Ost­sei­te hat­ten gro­ße Vor­gär­ten, die in den ers­ten Jah­ren von den Bewoh­nern mit Blu­men und Büschen bepflanzt wur­den. Spä­ter ließ die Pfle­ge der Vor­gär­ten nach, zudem leg­ten sich immer mehr Bewoh­ner ein Auto zu. Für den Berg­mann der 50er Jah­re eher sel­ten. Also wur­den zwi­schen den Wohn­blö­cken eini­ge Gara­gen gebaut und direkt vor den Häu­sern eine schma­le Stra­ße ange­legt. Nicht mehr schön, eher lang­wei­lig.

Vor etwa 25 Jah­ren wur­de die gan­ze Sied­lung saniert. Die Häu­ser wur­den reno­viert und an die Fern­wär­me ange­schlos­sen.

Und woher stammt der Name  “Erbdrostenallee” ?

Im frü­hen Mit­tel­al­ter ver­lie­hen die Kai­ser und Köni­ge ihren Gefolgs­leu­ten beson­de­re Ämter.  Auch die Fürst­bi­schö­fe von Müns­ter, die seit ca. 1200 selb­stän­di­ge Lan­des­her­ren waren, zeich­ne­ten Per­so­nen ihres Ver­trau­ens dadurch aus, dass sie ihnen Hofäm­ter über­tru­gen, u.a. das Amt des Dros­ten.

Der „Dros­te“ ( auch Truch­sess genannt) war der obers­te Ver­wal­tungs­be­am­te des Fürst­bi­schofs von Müns­ter und war als sol­cher für die Ver­wal­tung der fürst­bi­schöf­li­chen Güter und Län­de­rei­en zustän­dig. Wei­te­re Hofäm­ter waren der “Mar­schall” (Pfer­de und Fuhr­park), der “Mund­schenk” (Küche) und der “Käm­me­rer” (Finan­zen)-

Die Hofäm­ter waren mit bestimm­ten Lehns­gü­tern aus­ge­stat­tet. Der „Dros­te“ erhielt im Jah­re 1271 die Burg Vische­ring in Lüding­hau­sen als Lehen.

So kam es zum Namen „Dros­te zu Vische­ring“. Im Lau­fe der Zeit wur­den die Lehen bei den Inha­ber­fa­mi­li­en erb­lich. Daher nann­te man die Hofäm­ter auch Erbäm­ter und den Dros­ten „Erb­dros­te“. Im Jah­re 1840 wur­den die Erbäm­ter vom preus­si­schen König als Titel für die betref­fen­den Fami­li­en noch­mals bestä­tigt. Eine eigent­li­che Amts­funk­ti­on hat­ten die­se Titel aber schon damals nicht mehr.

1899 erwarb Erb­dros­te Cle­mens Graf Dros­te-Vische­ring die Burg in Set­te­rich nebst den dazu­ge­hö­ri­gen Län­de­rei­en von der Fami­lie Harst. Letz­ter gräf­li­cher Eigen­tü­mer war Erb­dros­te Dr. Georg Graf Dros­te zu Vische­ring.

Als der EBV 1952 plan­te, die Berg­leu­te für die Zeche „Emil-May­risch“ in Set­te­rich anzu­sie­deln, kauf­te er die „Burg Set­te­rich“ und errich­te­te auf Tei­len der Län­de­rei­en die ers­ten Wohn­sied­lun­gen. 

Zur Erin­ne­rung an die ehe­ma­li­gen Besit­zer wur­de eine der Stra­ßen nach ihnen benannt.

Die evangelische Gnadenkirche

Wir gehen durch die Bar­ba­r­a­stra­ße – nach der hei­li­gen Bar­ba­ra, der Schutz­pa­tro­nin der Berg­leu­te benannt – bis zur Emil-May­risch-Stra­ße, wo wir uns rechts hal­ten und nach ca. 200 m die evan­ge­li­sche Gna­den­kir­che errei­chen.

Bis in die zwan­zi­ger Jah­re des vori­gen Jahr­hun­derts wur­den die weni­gen in Set­te­rich woh­nen­den evan­ge­li­schen Chris­ten von den nächst­lie­gen­den Gemein­den Gei­len­kir­chen-Hüns­ho­ven und Jülich aus betreut.

Nach dem Ende des 2. Welt­krie­ges und mit Beginn der Koh­le­för­de­rung auf der Gru­be „Emil-May­risch“ in Siers­dorf wur­de der Bedarf an Arbeits­kräf­ten auch in unse­rer Regi­on immer grö­ßer.

Die Zeche schuf neue Arbeits­plät­ze und Arbeit wur­de in ganz Deutsch­land und spe­zi­ell im süd-euro­päi­schen Aus­land drin­gend gesucht. Im Rah­men der soge­nann­ten „Koh­le­ak­ti­on“ wur­den 1953 zahl­rei­che Sie­ben­bür­ger-Sach­sen in Öster­reich für den Stein­koh­le­berg­bau ange­wor­ben. Vie­le von ihnen gelang­ten auf die­sem Wege auch nach Set­te­rich. In dem bis­her nahe­zu rein katho­li­schen Dorf fan­den nun­mehr auch vie­le evan­ge­li­sche Chris­ten ihre Hei­mat.

Von etwa 1954 an zogen immer mehr Pro­tes­tan­ten – vor­wie­gend evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Bekennt­nis­ses – in die neu ange­leg­ten Berg­manns­sied­lun­gen. Ihre Zahl wuchs von Jahr zu Jahr. Wie vor­her erwähnt, kam ein gro­ßer Teil der evan­ge­li­schen Neu­bür­ger aus dem rumä­ni­schen Sie­ben­bür­gen.

Evan­ge­li­sche Gna­den­kir­che mit Pfarr­haus Set­te­rich 1958

In einem 1998 erschie­ne­nen Buch über deren alte Hei­mat mit dem Titel „Spu­ren und Bil­der aus Che­pan – Hei­mat­buch der Gemein­de Tschip­pen­dorf in Nord­sie­ben­bür­gen“ von Georg Breck­ner ist nach­zu­le­sen: „ Da im 2. Welt­krieg die katho­li­sche Andre­as­kir­che in Set­te­rich völ­lig zer­stört wur­de, hiel­ten die Gläu­bi­gen der Gemein­de ihre Got­tes­diens­te in der aus Holz gefer­tig­ten Not­kir­che ab.

Auch die evan­ge­li­schen Chris­ten durf­ten an Sonn- und Fei­er­ta­gen die­se Kir­che nut­zen. So wur­de bereits damals Öku­me­ne vor Ort prak­ti­ziert. Nicht nur des­halb genießt seit damals der katho­li­sche Pfar­rer Joseph Ste­gers bei den Evan­ge­li­schen beson­de­re Ach­tung“.

Die Zahl der evan­ge­li­schen Gemein­de­mit­glie­der wuchs jedoch so rasch, dass mit den Pla­nun­gen für eine eige­ne Kir­che bereits in den Jah­ren 1954/1955 begon­nen wur­de. Am 16. Sep­tem­ber 1956 konn­te inmit­ten der Berg­manns­sied­lun­gen der Grund­stein für die Gna­den­kir­che gelegt wer­den, wel­che dann am 23. Febru­ar 1958 fei­er­lich ein­ge­weiht wur­de.

Aus­führ­li­cher Bericht hier­zu unter die­sem Link: Evan­ge­li­sche Kir­che

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Die Turnhalle der früheren Lessingschule und das ehemalige Hilfskrankenhaus

Wir gehen ein kur­zes Stück zurück Rich­tung Haupt­stra­ße und errei­chen recht­erhand die Self­kant­stra­ße, in die wir ein­bie­gen. Auf der Ecke zur Les­sing­stra­ße sehen wir die Turn­hal­le der ehe­ma­li­gen Les­sing­schu­le.

Wie bei vie­len öffent­li­chen Bau­ten der 60er Jah­re des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, wur­de bei der Errich­tung der Turn­hal­le unter­halb des Gebäu­des auch der Ver­sor­gungs­trakt eines Hilfs­kran­ken­hau­ses ein­ge­rich­tet. Die­ses Kran­ken­haus wur­de 1980 bei einer Diph­te­rie-Epi­de­mie ein ein­zi­ges Mal genutzt. Mitt­ler­wei­le ist es wegen Asbest­be­las­tung nicht mehr zugäng­lich. Die Innen­ein­rich­tung ist größ­ten­teils ent­fernt.

Das Sportzentrum an der Wolfsgasse

Wir gehen bis zur Wolfs­gas­se und dann ein kur­zes Stück in Rich­tung Puf­fen­dorf. Schon nach weni­gen Metern befin­den wir uns vor dem groß­zü­gi­gen Ein­gangs­be­reich des Sport­zen­trums Wolfs­gas­se. Es war die letz­te gro­ße Bau­maß­nah­me der vor der kom­mu­na­len Neu­glie­de­rung selb­stän­di­gen Gemein­de Set­te­rich.

Der Haupt­platz mit Rasen­flä­che liegt in einer 400m Aschen­bahn. Auf den aus­ge­bau­ten Rän­gen fin­den min­des­tens 1.200 Zuschau­er Platz. Für zahl­rei­che wei­te­re Zuschau­er gibt es noch Steh­platz­mög­lich­kei­ten rund um das Oval .

Die­se Kapa­zi­tät war vor allem bei der Eröff­nung der Anla­ge am 25.06.1972 erfor­der­lich, als rund 6.500 Besu­cher das Fuß­ball­spiel einer Aus­wahl von Spie­lern des SV 07 Set­te­rich und des SV 09 Baes­wei­ler gegen den amtie­ren­den deut­schen Fuß­ball­meis­ter Borus­sia Mön­chen­glad­bach sehen woll­ten.   

Die ehemalige Gemeinschaftshauptschule – Lessingschule

Wir gehen wei­ter Rich­tung Fried­hof und pas­sie­ren dabei den rück­wär­ti­gen Teil der ehe­ma­li­gen Gemein­schafts­haupt­schu­le – Les­sing­schu­le. Bereits 1954 war es erfor­der­lich gewor­den, an die­ser Stel­le eine Evan­ge­li­sche Volks­schu­le zu bau­en, die wegen stän­dig stei­gen­der Schü­ler­zah­len sowohl 1958 als auch 1962/63 jeweils um einen Schul­trakt erwei­tert wer­den muss­te.

Die Les­sing­schu­le Set­te­rich im Jahr 1969

Wie schon zu Beginn unse­res Rund­gangs bei der Andre­as­schu­le aus­ge­führt, änder­te sich mit der Schul­re­form von 1968 die Schul­land­schaft radi­kal. Die neu ein­ge­rich­te­te Haupt­schu­le in Set­te­rich star­te­te in den Schul­ge­bäu­den der Andre­as­schu­le mit 14 Klas­sen und 13 Leh­rern. 540 Schü­ler besuch­ten die Schu­le und schnell erwie­sen sich die Räum­lich­kei­ten an der Bahn­stra­ße zu klein. So zog die Schu­le schon 1969 in das neue Gebäu­de an der Les­sing­stra­ße um. Mehr­fach wur­de das Schul­ge­bäu­de umge­baut und erwei­tert.

Auf­grund sin­ken­der Schü­ler­zah­len Anfang die­ses Jahr­hun­derts wech­sel­te die GHS Les­sing­schu­le im Schul­jahr 2010/2011 kom­plett zur GHS Goe­the­schu­le in Baes­wei­ler.

Heu­te ist das Schul­ge­bäu­de zu gro­ßen Tei­len zu einer Wohn­grup­pe für ambu­lan­tes betreu­tes Woh­nen aus­ge­baut wor­den.

Der Malteser Jugendtreff

Wir gehen zurück Rich­tung Fried­hof und tref­fen nach weni­gen Metern auf den Mal­te­ser Jugend­treff.

Die­se Ein­rich­tung fand ihren Ursprung in einer Betreu­ungs­lü­cke für Set­te­ri­cher Jugend­li­che, die sich Ende der 1980er Jah­re abzeich­ne­te. Vie­le Jugend­li­che ver­brach­ten ihre Frei­zeit nicht mehr in Ver­ei­nen oder im Freun­des­kreis. Auch gab es im Ort kei­ne adäqua­ten Treff­punk­te. Ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter und Besu­cher des katho­li­schen Jugend­heims und der CDU-Orts­ver­band stell­ten Anträ­ge an Stadt und Kreis zur Ein­rich­tung eines Offe­nen Jugend­treffs in Set­te­rich. Beglei­tet wur­den die­se Anträ­ge durch eine Unter­schrif­ten­ak­ti­on von Schü­le­rin­nen und Schü­lern der benach­bar­ten Les­sing­schu­le. Die Ver­ant­wort­li­chen bei Stadt und Kreis sahen eben­falls die Not­wen­dig­keit einer sol­chen Ein­rich­tung.

So eröff­ne­te nach rela­tiv kur­zer Pla­nungs­pha­se am 4. Juli 1992 der Offe­ne Jugend­treff Set­te­rich ein eigens dafür durch den Kreis Aachen errich­te­tes groß­zü­gi­ges Gebäu­de an der Wolfs­gas­se – direkt neben dem Sport­zen­trum und hin­ter der Les­sing­schu­le gele­gen. Die Trä­ger­schaft über­nahm zunächst das Jugend­amt des Krei­ses Aachen.

Zum 1. Janu­ar 2006 fand ein Wech­sel in der Trä­ger­schaft statt. Die Mal­te­ser Wer­ke wur­den für den Jugend­treff zustän­dig. Die Auf­ga­ben­be­schrei­bung liest sich wie folgt:

Die­se Ein­rich­tung der offe­nen Jugend­ar­beit soll ein Anlauf­punkt für Kin­der und Jugend­li­che aus dem gesam­ten Stadt­ge­biet Baes­wei­ler sein. Eine Beson­der­heit besteht dar­in, dass ein Mit­ar­bei­ter als Street­wor­ker täg­lich unter­wegs ist, um die­je­ni­gen Jugend­li­chen auf­zu­su­chen, die nur schwer erreicht wer­den kön­nen und kein Inter­es­se an den Regel­an­ge­bo­ten der Jugend­hil­fe haben.

In der Ein­rich­tung haben Kin­der und Jugend­li­che die bes­ten Mög­lich­kei­ten einer geziel­ten Frei­zeit­ge­stal­tung: Ver­an­stal­tungs­raum, Inter­net­ca­fe, Werk­raum sowie Sport­mög­lich­kei­ten im Aus­sen­ge­län­de.

Der neue Friedhof

Wir bie­gen von der Wolfs­gas­se an der nächs­ten Stra­ße (Ver­län­ge­rung der Stra­ße “An der Burg”) rechts zum Set­te­ri­cher neu­en Fried­hof ab.

Die neue Glo­cke mit neu­em Glo­cken­stuhl im Jah­re 2013

Die­ser Fried­hof wur­de 1956 ein­ge­weiht, als sich abzeich­ne­te, dass der bis­he­ri­ge Fried­hof an der Haupt­stra­ße bei dem rapi­den Bevöl­ke­rungs­wachs­tum bald zu klein sein wür­de. Dank sei­ner Lage am Orts­rand waren hier auch gro­ße Erwei­te­rungs­flä­chen vor­han­den. Bereits zwei Mal wur­de der Fried­hof seit­dem auch erwei­tert.

Auf dem Bild oben ist der im Ein­gangs­be­reich des Fried­hofs ste­hen­de Glo­cken­turm zu sehen. Bei der Errich­tung die­ses Turms trug er die Glo­cke, die ihren ursprüng­li­chen Platz in der Schu­le des Dor­fes Tschip­pen­dorf in Sie­ben­bür­gen hat­te.

Als sich die deutsch­stäm­mi­gen Bewoh­ner des Dor­fes Tschip­pen­dorf im August 1944 auf die Flucht nach Wes­ten mach­ten, nah­men sie die­se Glo­cke zur Erin­ne­rung an die auf­ge­ge­be­ne Hei­mat mit in die unge­wis­se Zukunft.

Nach­dem 1954 gut die Hälf­te der ehe­ma­li­gen Tschip­pen­dor­fer in Set­te­rich und Loverich ihre neue Hei­mat gefun­den hat­ten, wur­de die Glo­cke zunächst der evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­de zur Ver­fü­gung gestellt. Jedoch pass­te sie klang­lich nicht zu den ande­ren Glo­cken des Geläuts und wur­de des­halb beim Bau der evan­ge­li­schen Kir­che nicht berück­sich­tigt. Als dann der neue Fried­hof eröff­net wur­de, war man froh, auf die­se Wei­se eine Aus­seg­nungs­glo­cke zu bekom­men.

Die Glo­cke war aller­dings lan­ge Zeit durch einen Wit­te­rungs­schutz völ­lig ver­klei­det, so dass sie nicht mehr zu sehen, son­dern nur noch zu hören war.  Im Jahr 2006 rief  der Geschichts­ver­ein daher zu einer Spen­den- und Unter­stüt­zungs­ak­ti­on auf, um die­sem Miss­stand abzu­hel­fen. Mit schnel­lem Erfolg. Noch im glei­chen Jahr konn­te der neue Glo­cken­stuhl für die Aus­seg­nungs­hal­le zur gro­ßen Freu­de vie­ler Gemein­de­mit­glie­der erstellt wer­den.  Lei­der wur­den im Jahr 2012 zunächst das Kup­fer­dach und eini­ge Tage spä­ter die Glo­cke gestoh­len.

Dies konn­te natür­lich so nicht blei­ben. Und so setz­te sich unser Geschichts­ver­ein für eine Spen­den­ak­ti­on zur Anschaf­fung einer neu­en Glo­cke ein. Auch jetzt wur­den  erfreu­li­cher­wei­se vie­le Spen­der gefun­den. Dar­un­ter die Spar­kas­se Aachen und die VR-Bank Wür­se­len, die eben­so „dicke“ Geld­be­trä­ge bei­steu­er­ten wie auch der Baes­wei­ler Kir­chen­chor, die Blas­mu­sik­ka­pel­le „Sie­ben­bür­gen“ und vie­le wei­te­re Ein­zel­spen­der.

In der Glo­cken­gie­ße­rei  Mark in Brock­scheid in der Eifel  – einer von nur noch 4 Gie­ße­rei­en in Deutsch­land – konn­te somit eine Glo­cke gegos­sen wer­den, die in Form und Grö­ße an die alte Tschip­pen­dor­fer Glo­cke erin­nert.

20 Mit­glie­der unse­res Ver­eins waren ein­ge­la­den, am 19. April 2013, dem Guss der Glo­cke bei­zu­woh­nen.

„Der Guss ist der spek­ta­ku­lärs­te Schritt wäh­rend der Ent­ste­hung einer Glo­cke und bei Wei­tem der kür­zes­te. Gut zwei Mona­te Vor­ar­beit sind bis dahin nötig. Jede Glo­cke ist ein hand­ge­fer­tig­tes Uni­kat. Am Anfang steht das soge­nann­te Glo­cken­gie­ßer­ge­heim­nis: das Wis­sen, wie man die Form der neu­en Glo­cke so berech­net, dass sie spä­ter den gewünsch­ten Ton hören lässt”. Dazu ent­warf die Che­fin, Frau Mark-Maas, übri­gens Deutsch­lands ein­zi­ge Glo­cken­gie­ße­rin, ein genau berech­ne­tes Brett, wegen sei­ner Form Rip­pe genannt.

Mit Hil­fe der Scha­blo­ne mau­ern die Gie­ßer zunächst aus Zie­gel­stei­nen den Kern, der spä­ter dem Hohl­raum der Glo­cke ent­spricht. Auf ihn folgt die aus Lehm geform­te „Fal­sche Glo­cke“, die in Form und Grö­ße exakt dem spä­ter gegos­se­nen Klang­kör­per gleicht. Pfer­de­mist und Rin­der­haa­re die­nen als Bin­de­mit­tel. Schließ­lich wird, eben­falls aus Lehm, der Man­tel geformt. Dann zer­schla­gen die Gie­ßer die „Fal­sche Glo­cke“, so dass zwi­schen Kern und Man­tel ein Hohl­raum ent­steht, ähn­lich einer umge­dreh­ten Gugel­hupf-Back­form. In ihn strömt durch die Guss­ka­nä­le die glei­ßen­de, oran­ge­far­be­ne 1100 Grad Cel­si­us hei­ße Bron­ze. Die Ofen­öff­nung wird voll­stän­dig ver­stopft. Der Guss­vor­gang ist been­det.

Wir waren dabei- beim Glo­cken­guss am 19. April 2013
Die neue Glo­cke

„Gro­ßer Gott, wir loben dich“ stimm­te Frau Cor­ne­lia Mark-Maas an und ihre Kol­le­gen und wir Besu­cher san­gen mit. Im Hin­ter­grund rich­te­te Toch­ter Char­lot­te schon den Schnaps. Ohne ihn kein Guss.

Ein paar Tage blei­ben den Gie­ßern, ehe die erkal­te­te Form aus­ge­gra­ben, der Man­tel zer­bro­chen und  sie end­lich die Ant­wort auf die wich­tigs­te Fra­ge ihres Hand­werks bekom­men: Wird‘s auch schön zuta­ge kom­men, dass es Fleiß und Kunst ver­gilt? Wenn der Guss miss­lang? Wenn die Form zer­sprang?

Schlimms­ten­falls müss­ten die Gie­ßer von vorn begin­nen. Doch dies­mal war der Guss gelun­gen.

 Zusätz­lich bekam die Glo­cke die Inschrift

„Tschip­pen­dorf 1926, Set­te­rich 2013. Die Glo­cke ruft, mahnt, erin­nert.“

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Die letzte Ruhestätte von Pastor Joseph Stegers

Die letz­te Ruhe­stät­te von Pas­tor Joseph Ste­gers

Wir gehen nun den Haupt­weg des Fried­ho­fes ent­lang bis zum Grab des lang­jäh­ri­gen Set­te­ri­cher Pas­tors und Ehren­bür­gers der Stadt Baes­wei­ler, Herrn Pas­tor Joseph Ste­gers.

Pas­tor Joseph Ste­gers wur­de am 2.Oktober 1912 in Mön­chen­glad­bach gebo­ren. Mit Bischöf­li­cher Urkun­de vom 2. Dezem­ber 1946 wur­de er Pas­tor in Set­te­rich und ver­starb hier­selbst am 1. August 2000.

Die Lebens­ge­schich­te und das Wir­ken die­ses in vie­ler­lei Hin­sicht ver­dienst­vol­len Men­schen zu erzäh­len, wür­de den Rah­men die­ses Berich­tes über­stei­gen und wür­de sicher­lich ein Buch fül­len.

Und ein sol­ches Buch gibt es. In Abstim­mung mit unse­rem Geschichts­ver­ein ver­fass­te der frü­he­re Real­schul­di­rek­tor in Set­te­rich und enge Mit­ar­bei­ter von Pas­tor Ste­gers, Herr Ernst Hönings, das Buch „Ein Pries­ter­le­ben im 20. Jahr­hun­dert“.

Das Gemeindezentrum des türkischen Integrations- und Bildungsvereins Setterich e.V.

Wir ver­las­sen den Fried­hof und keh­ren zurück zur Wolfs­gas­se. In Rich­tung Bahn­stra­ße errei­chen wir schon nach weni­gen Schrit­ten das Gemein­de­zen­trum des tür­ki­schen Inte­gra­ti­ons- und Bil­dungs­ver­eins Set­te­rich.

Das Grund­stück, auf dem sich vor­her eine Tank­stel­le befand, wur­de bereits 1978 vom Isla­mi­schen Kul­tur­ver­ein erwor­ben. Heu­te befin­den sich in dem Gemein­de­zen­trum auf einer Nutz­flä­che von über 2000m² neben einem gro­ßen Geschäfts­raum ein Gebets­raum für Män­ner, Rei­ni­gungs­räu­me, ein Gebets­raum für Frau­en und eine Küche mit einem Ess­raum. In den bei­den obe­ren Geschos­sen ver­tei­len sich eine grö­ße­re Anzahl von Lehr‑, Auf­ent­halts- und Schlaf­räu­men.

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Der ehemalige Settericher Bahnhof

Noch­mals etwa 150 m wei­ter tref­fen wir an der Ecke zur Bahn­stra­ße auf das Park­re­stau­rant Wer­den. Bei die­sem Gebäu­de han­delt es sich um den ehe­ma­li­gen Set­te­ri­cher Bahn­hof. Von hier aus ver­ban­den zwi­schen 1900 und 1953 die Züge der schmal­spu­ri­gen Gei­len­kir­che­ner Kreis­bahn Set­te­rich mit der  “gro­ßen wei­ten Welt“.

Die Kreis­bahn auch der “feu­ri­ge Eli­as” genannt um 1952

Ers­ter Fahr­plan der Kreis­bahn

Ers­ter Fahr­plan der Kreis­bahn

 Rich­tung Süden ver­kehr­ten die Züge über Baes­wei­ler nach Als­dorf, wo man in die Staats­bahn oder die Stra­ßen­bahn nach Esch­wei­ler umstei­gen konn­te. Nach Nor­den war die nächs­te Sta­ti­on der Bahn­hof Puf­fen­dorf. Hier gab es Anschluss an die Jüli­cher Kreis­bahn nach Jülich, bis 1935 zustän­di­ge Kreis­stadt für Set­te­rich. Von Puf­fen­dorf nach Wes­ten führ­te die Stre­cke über die Hal­te­punk­te Floverich-Apwei­ler und den Bahn­hof Immendorf  wei­ter nach Gei­len­kir­chen, wo der Umstieg in die Züge der Staats­bahn nach Aachen oder Mön­chen­glad­bach (damals noch: Mün­chen-Glad­bach) mög­lich war.
Die Bahn wur­de von der Bevöl­ke­rung gera­de­zu lie­be­voll ange­nom­men. Dies bele­gen nicht zuletzt die volks­tüm­li­chen Bezeich­nun­gen für das Ver­kehrs­mit­tel. Man nann­te sie „et Zöß­je“, da sie sich im Gegen­satz zur Reichs­bahn auf einer Schmal­spur beweg­te. Aus dem Ent­lang­strei­fen an den Hecken und den Büschen ent­lang der Tras­se erwuchs auch der Spitz­na­men „Heg­ge­ströö­fer“ (Hecken­strei­fer).

Rich­tung Süden ver­kehr­ten die Züge über Baes­wei­ler nach Als­dorf, wo man in die Staats­bahn oder die Stra­ßen­bahn nach Esch­wei­ler umstei­gen konn­te. Nach Nor­den war die nächs­te Sta­ti­on der Bahn­hof Puf­fen­dorf. Hier gab es Anschluss an die Jüli­cher Kreis­bahn nach Jülich, bis 1935 zustän­di­ge Kreis­stadt für Set­te­rich. Von Puf­fen­dorf nach Wes­ten führ­te die Stre­cke über die Hal­te­punk­te Floverich-Apwei­ler und den Bahn­hof Immendorf  wei­ter nach Gei­len­kir­chen, wo der Umstieg in die Züge der Staats­bahn nach Aachen oder Mön­chen­glad­bach (damals noch: Mün­chen-Glad­bach) mög­lich war.

Der Als­dor­fer Mund­art­dich­ter Hein Küs­ters hat hier­zu ein Gedicht ver­fasst, das wir Ihnen nicht vor­ent­hal­ten wol­len:

Dr Heg­ge­ströfer

De Jel­le­ker­cher Schmal­spur­bahn,

dat worr en Lok met Jüter­wan

on drej Wajongs för Pass­a­jie­re.

Alles konnt me trans­por­tie­re.

Eäpel uß et Heins­ber­ger Lank

on uß de Self­kank Fum­melsank.

Jan­ze Zösch voll Zucker­knol­le

leß me bes no Jül­lisch rol­le.

No Jan­gelt on Schier­wal­den­rath

hat dr Püf­fer Schlamm gebraht.

Prum­me, Kap­pes, Schlat on Muh­re

sche­cke­te os stracks de Buure.

Et Zöß­je kruf­fet ohne Streß,

stolz wie dr Ori­ent-Express,

va Dörp ze Dörp, janz pö a pö,

tösche Fel­der, Schos­see on Köh.

Haue de Lü sich jett jesat­ze

op de Bänk va höl­zer Lat­ze,

hau alles Ril­le en de Bat­ze

on en Zitt lang jett ze krat­ze.

Se foh­re döcks op Hams­ter­tour

bes hen­ger Lennech an de Rur.

Et Zöß­je braht se jot no Heem,

met Bot­ter, Eier, Speck on Seem.

Hau ich jeng Fen­ne­ge als Jong,

sprong ich hen­ge op Per­rong

on laa­chet övver Schwell­elöö­fer.

Ver­jeißt nie osse Heg­ge­ströö­fer.

Am 13.09.1944 war die Bahn wegen des näher­rü­cken­den Kriegs­schau­plat­zes still­ge­legt wor­den. Durch die fol­gen­den Kriegs­ein­wir­kun­gen wur­de sie stark zer­stört. Der Bahn­kör­per war teil­wei­se ver­mint und durch Spren­gun­gen oder Artil­le­rie­be­schuss unbrauch­bar gemacht.

Der Auf­bau in den ers­ten Jah­ren nach dem Krieg gelang nur schritt­wei­se. Die ers­ten wie­der ein­tref­fen­den Arbeits­kräf­te stell­ten sich frei­wil­lig für Auf­räum­ar­bei­ten zur Ver­fü­gung. Explo­die­ren­de Muni­ti­on erfor­der­te lei­der neue Opfer.

Am 1. Febru­ar 1946 konn­te dann die Stre­cke von Gei­len­kir­chen über Set­te­rich nach Als­dorf wie­der in Betrieb genom­men wer­den. Durch die „Hams­ter­fahr­ten“ nach dem Krieg erreich­te die Per­so­nen­be­för­de­rung einen ein­ma­li­gen Rekord. Die ein­satz­fä­hi­gen Per­so­nen­wa­gen reich­ten nicht mehr aus. Des­halb muss­ten oft offe­ne Güter­wa­gen zur Per­so­nen­be­för­de­rung her­hal­ten.

Kurz nach Kriegs­en­de – ein Blick vom Bahn­hof Rich­tung Anton-Klein-Stra­ße. Die Kreis­bahn wird an der Wolfs­gas­se erwar­tet. Der Zug kommt aus Baes­wei­ler – Als­dorf.

Wenn auch in den ers­ten Nach­kriegs­jah­ren noch vie­le Men­schen die Bahn als Ver­kehrs­mit­tel nutz­ten, ging der Trend bald in eine ande­re Rich­tung. Im Juli 1949 kauf­te die Gei­len­kir­che­ner Kreis­bahn die ers­ten Omni­bus­se und rich­te­te auch Bus­li­ni­en ein. Nun ent­schie­den sich vie­le Men­schen für die­ses neue Ver­kehrs­mit­tel, das vie­le Vor­tei­le bot: güns­ti­ger gele­ge­ne Hal­te­stel­len, kür­ze­re Zeit­tak­te, höhe­rer Bedie­nungs­kom­fort.

1951 wur­de die Omni­bus­li­nie Gei­len­kir­chen-Set­te­rich-Baes­wei­ler-Siers­dorf-Alden­ho­ven ein­ge­rich­tet. In Baes­wei­ler bestand Anschluss an die ASE­AG-Lini­en nach Als­dorf und Aachen. Da die Anzahl der beför­der­ten Per­so­nen auf der Schie­ne stark zurück­ging, stell­te die Kreis­bahn den schie­nen­ge­bun­de­nen Per­so­nen­ver­kehr im Abschnitt Als­dorf-Gei­len­kir­chen (somit über Set­te­rich)  im Jah­re 1953 ein.

Seit 1952 ent­wi­ckel­te sich auch der Güter­ver­kehr in zuneh­men­den Maße ungüns­tig. Neben den land­wirt­schaft­li­chen Betrie­ben lagen nur noch zwei Zie­ge­lei­en und ein Stein­zeug-Betrieb im Ein­zugs­ge­biet der Bahn. Da der Zucker­rü­ben­bau nach dem Krieg inten­si­viert wor­den war, ent­wi­ckel­te sich die Kreis­bahn immer mehr zu einer „Rüben­bahn“. Im gesam­ten Fracht­auf­kom­men lag der Anteil der Rüben bei 61 %. Da die Rüben­ern­te Ende Sep­tem­ber begann und Mit­te Dezem­ber abge­schlos­sen war, beför­der­te die Bahn in etwa 2 ½ Mona­ten 2 Drit­tel bis 3 Vier­tel der ins­ge­samt anfal­len­den Güter. Die Bahn­an­la­gen blie­ben also in der übri­gen Zeit fast unge­nutzt und so wur­de der Schie­nen­be­trieb schritt­wei­se still­ge­legt.

Nach dem Abbau der Gleis­an­la­gen kauf­te die Gemein­de Set­te­rich 1960 den Gelän­de­strei­fen von der Kreis­bahn und bau­te die Wolfs­gas­se mit einer Teer­de­cke und brei­ten Geh­we­gen aus. An die eins­ti­ge Kreis­bahn erin­nert heu­te nur noch die Bezeich­nung „Bahn­stra­ße“.